Verfolgung der Täter der im Vernichtungslager KL Auschwitz-Birkenau begangenen Verbrechen - Dokumentation (de) -

Niemieckie obozy zagłady i obozy koncentracyjne w okupowanej Polsce

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Dokumentation (de)

Verfolgung der Täter der im Vernichtungslager KL Auschwitz-Birkenau begangenen Verbrechen

Bereits im Dezember 1939 hat die Exilregierung der Republik Polen  mit einem Sonderbeschluss die Anwendung durch den polnischen Staat der Retorsionen gegen die Deutschen auf unschuldige polnische Opfer angekündigt, und zwar insbesondere gegen die Führungskräfte. Auf die durch Rote Armee besetzten polnischen Gebiete im August 1944 erfolgte die Bekanntmachung des Dekrets über die Bestrafung von faschistisch - nationalsozialistischen Verbrechern, die sich der Morde und Misshandlungen von Zivilisten und Gefangenen schuldig gemacht haben wie auch von Verrätern des polnischen Volkes durch das Polnische Komitee für Nationale Befreiung. Art. 1 Abs. 1 des vorgenannten Dekrets, das nach wie vor geltend ist, besagt wie folgt: wer den Behörden des deutschen Staates oder einem seiner Verbündeten aushalf und an den Totschlägen von Personen aus der Zivilbevölkerung bzw. an Militärfunktionären oder Kriegsgefangenen teilnahm, ist mit Todesstrafe (derzeit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe) bedroht. Sonstige Bestimmungen des Dekrets schrieben eine Strafverantwortung unter anderem für andere Verfolgungsformen der Bevölkerung der besetzten polnischen Gebiete vor  wie die Zusammenarbeit mit den Besatzungskräften, darunter Auslieferung oder Hilfe bei Festnahme von verfolgten und gesuchten Personen wie auch – gemäß Bestimmungen des Blattes des Internationalen Militärgerichtshofes Nürnberg – lauter Zugehörigkeit zu den als verbrecherische Vereinigungen anerkannten Organisationen, zu denen die deutsche Nazi-Partei (NSDAP), die Geheimpolizei (Gestapo), die Schutzstaffel (SS) und der Sicherheitsdienst (SD) zählten.

Als erste hat die Ermittlungsmaßnahmen gegen die im KL Auschwitz-Birkenau begangenen Verbrechen die Staatsanwaltschaft der Ersten Ukrainischen Front im Februar 1945 eingeleitet. Im April 1945 setzte die Tätigkeit der Kommission zur Erforschung der deutschen nationalsozialistischen Verbrechen in Auschwitz ein. Seit November 1945 war sie im Rahmen des Organigramms der Hauptkommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen tätig. Die Kommission hat Beweise sichergestellt, die vorher durch die sowjetischen Strafverfolgungsorgane nicht ausgeführt worden waren, ferner hat sie Vernehmungen und ärztliche Untersuchungen der ehemaligen KZL-Häftlinge  vorgenommen wie auch Besichtigungen des Konzentrationslagergeländes durchgeführt. Unter Tätigkeit der Polnischen Militärmission, die an den Behörden der Besatzungszonen Deutschlands  mitgewirkt hat,  wurden die Auslieferungen der verhafteten und identifizierten Täter beantragt. Die Aktivitäten der Kommission veranlassten, dass über 700 ehemalige Mitglieder der Lagermannschaft vor polnische Gerichte gebracht wurden. Über die Täter der schlimmsten Verbrechen  hat ein extra für diesen Zweck berufenes Strafgericht – das Oberste Nationale Tribunal – gesessen. Im April 1947 wurde der ehemalige Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz Rudolf Höß zum Tode verurteilt. Im Dezember 1947 wurde das Urteil im Krakauer Prozess gegen die Mitglieder der Konzentrationslagermannschaft verhängt. Unter den 40 Angeklagten wurde auch unter anderem der ehemalige Kommandant des Konzentrationslagers Arthur Liebenhenschel verurteilt. Außerdem wurden 22 weitere Angeklagte zur Todesstrafe verurteilt. Hierzu ist darauf zu verweisen, dass an diesen Prozessen auch die Vertreter der internationalen Presse beteiligt waren. In ihren Berichten haben sie betont, dass die Verfahren unter der Beachtung der Würde der Angeklagten und ihres Verteidigungsrechtes geführt wurden. Weitere Prozesse gegen ehemalige Mitglieder des Personals von KL Auschwitz-Birkenau waren vor Bezirksgerichten anhängig, in den meisten Fällen Bezirksgericht Kraków und Bezirksgericht Wadowice. Das Durchführen von diesen Verfahren wurde immer schwieriger. Das war u.a. auf wachsendes Misstrauen in den gegenseitigen Beziehungen zwischen kommunistischem Polen und den Alliierten zurückzuführen. Die Abneigung gegen die Herausgabe der Täter an die polnischen Behörden wurde immer größer. Des Weiteren konnte eine ganze Reihe von den betroffenen Personen auf Grund der durchaus verständlichen Lücken im Beweismaterial, hauptsächlich von den für die ehemaligen Häftlinge anonymen Mitgliedern der Wachmannschaften, nicht angeklagt werden,  konkrete Verbrechen begangen zu haben. Diese Personen wurden zu einigen Jahren Freiheitsstrafe verurteilt lauter für die SS-Zugehörigkeit  und den Dienst im KL Auschwitz – Birkenau.

Die Gerichtsprozesse gegen Verbrechen, die durch Mitglieder der Mannschaft des Konzentrationslagers Auschwitz – Birkenau begangen wurden, endeten in der ersten Hälfte der 50er Jahre des 20. Jh. Nach 1956  wurde ein wesentlicher Teil der verurteilten Nazi-Verbrecher, darunter ein Teil von denjenigen, die zur lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, befreit. Die Ausgestaltung der Strafpolitik erfolgte damals auf Grund des im Widerspruch zu den durch Polen ratifizierten internationalen Abkommen stehenden Gesetzes über Amnestie vom 27. April 1956, das unter anderem besagte, dass kein Verfahren mehr eingeleitet und das mal eingeleitete Verfahren eingestellt wird in Sachen wegen Untaten nach dem Dekret über die Bestrafung der national-sozialistischen Verbrecher, die sich des Mordes und der Misshandlung von Zivilisten und Gefangenen schuldig gemacht haben wie auch der Verräter des polnischen Volkes. Zwar wurden die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 1 des Dekrets von der Wirkung des Gesetzes ausgeschlossen, aber das hatte zu bedeuten, dass der Abschaffung die Straftaten wie z.B. Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Vereinigung (z.B. SS-Dienst) oder aber das Verraten von Menschen an deutsche Behörden (u.a. die sog. Schmalzowniken) unterlagen.
Kraft Gesetz von 1964 wurde die Verjährung in Sachen wegen der durch Funktionäre im Dritten Reich oder durch Personen, die den deutschen Behörden aushalfen, begangenen Morde unterbrochen. Die in Polen geltende Gesetzgebung in Strafsachen wich jedoch weiterhin von den internationalen Standards zur Verfolgung von Kriegsverbrechen ab. Das im Jahre 1969 verabschiedete neue Strafgesetzbuch umfasste Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt nicht. Die Begründung dafür war die beabsichtigte Verabschiedung von einem Sondergesetz. Ein derartiges Gesetz ist allerdings bis zum Untergang der Volksrepublik Polen nicht verabschiedet worden.
Weitere Verfahren, deren Gegenstand die Tätigkeit des Vernichtungslagers KL Auschwitz-Birkenau waren, sind in der zweiten Hälfte der 60er Jahre und Anfang der 70er Jahre des 20. Jh.  vor der Hauptkommission zur Erforschung der Nazi -Verbrechen und vor der Bezirkskommission zur Erforschung der Nazi-Verbrechen Kraków eingeleitet worden. Drei Verfahren betreffend Verbrechen, die während des Funktionierens des KZ-Lagers begangen wurden, Morde an evakuierten KL-Häftlingen bei dem sogenannten Todesmarsch und medizinische und pseudomedizinische Menschenversuche im KZ-Lager. Keines von diesen Verfahren konnte mit einer sachlichen Entscheidung abgeschlossen werden. Die Ermittlungsverfahren wurden in der 2. Hälfte der 70er und 80er Jahre des 20. Jh. mit mehr oder weniger eingehend begründeten Einstellungsbescheiden abgeschlossen. Im Laufe dieser Ermittlungsverfahren  sind keine Anklagen gegen die Täter der Mord- und Misshandlungsverbrechen an den KL-Häftlingen ausgearbeitet worden, ihre Auslieferung wurde bei den Behörden anderer Staaten nicht beantragt. Ein Beispiel für derartigen Verfahrensausgang  ist der Fall von Dr. Josef Mengele, gegen welchen nicht nur keine  Vorwürfe formuliert wurden, konkrete verbotene Straftaten begangen zu haben, es wurde sogar die Bekanntmachung von einem Fahndungsbrief und die internationale Suche nach ihm unterlassen. In der Begründung des Einstellungsbescheids wurde lediglich festgestellt, dass die Perspektive für die Anklage von Josef Mengele vor polnischem Gericht entfernt ist.

In den letzten Jahren des Bestehens der Volksrepublik Polen wurden im Rahmen der Kommission zur Erforschung der Nazi-Verbrechen in Polen – Institut für Nationales Gedenken - diesbezügliche Ermittlungsverfahren nicht fortgesetzt. In ihren Arbeiten konzentrierte sich die Kommission auf historische und Forschungstätigkeit. Gleichzeitig ist darauf zu verweisen, dass die Kommission in ihrem Ermittlungszuständigkeitsbereich durch das damals geltende Gesetz wesentlich begrenzt war.

Festlegungen der ehemaligen Kommission zur Erforschung von Nazi-Verbrechen standen den Justizbehörden und den Strafverfolgungsbehörden der sog. Volksdemokratiestaaten wie auch der Bundesrepublik Deutschland und Österreich zur Verfügung. Auf Grund von diesen Ermittlungen, darunter von Aussagen der vernommenen Zeugen wurden in der Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts die sog. Frankfurter Auschwitz-Prozesse eingeleitet, im Zuge von welchen einige zehn ehemalige Mitglieder der Lagermannschaft abgeurteilt wurden.

In den Jahren 2010-2011 hat die im Rahmen von einem neuen Organigramm und neuer Rechtskonstellation wirkende Bezirkskommission zur Erforschung der Verbrechen gegen das polnische Volk  mit dem Sitz in Krakau die eingestellten Verfahren wieder aufgenommen. Derzeit wird zum Aktenzeichen S 78.2011.Zn ein Ermittlungsverfahren geführt, dessen Gegenstand den gesamten Themenkreis um Funktionieren des KL Auschwitz-Birkenau umfasst. Die Voraussetzung ist, dass mit diesem Verfahren einige Ziele verfolgt werden, die sich gegenseitig ergänzen. Als Grundprozessziele sind Festlegungen zu den Tatbeständen wie folgt zu nennen:

  • Aufbau und Funktionsweise des Vernichtungslagers KL Auschwitz-Birkenau vor dem Hintergrund des im Dritten Reich betriebenen Konzentrationslager- und Vernichtungs-lagersystems;
  • Angaben zu den im Lager gefangen gehaltenen Personen;
  • Umstände, unter welchen die im Lager gefangen gehaltenen Personen ums Leben gebracht wurden;
  • Gesamtanzahl der Lageropfer (im Sinne der Gesamtanzahl der Gefangenen und der Getöteten);
  • Zwangsarbeitssystem mit Einsatz der KL-Häftlinge;
  • Straftaten mit Einzeltateigenschaften, die zum Schaden der Lagerhäftlinge begangen wurden;
  • Medizinische und paramedizinische Versuche an den KL-Häftlingen;
  • Liquidation des Lagers und die bei seiner Evakuierung verübten Straftaten;
  • Funktionäre der Dritten Reichs, die ihren Dienst im KZ-Lager getan haben;
  • Ergebnisse abgeschlossener Strafverfahren betreffend Funktionieren des KZ-Lagers (in Polen und außerhalb seiner Grenzen).
  • Die Festlegungen des Ermittlungsverfahrens ermöglichen – in Zusammenarbeit mit sonstigen betroffenen Abteilungen des Instituts für Nationales Gedenken - Durchführung sonstiger Ziele, darunter insbesondere:
  • Archivierungsziele – durch Errichtung einer Dokumentensammlung betreff. Tätigkeit des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau im Rahmen des Instituts für Nationales Gedenken;
  • Wissenschaftliche Ziele – durch Herausgabe von Dokumenten, Analysen, Studien (darunter Übersetzungen) in verschiedenen Sprachen, Beschreiben des Aufbaus des konspirativen Lagerwiderstands in Auschwitz – Birkenau und der Unterstützung für KL-Häftlinge durch die Bevölkerung vor Ort in der Auswirkungszone des Lagers und während des Todesmarsches;
  • Bildungsziele – durch Ausstellungen, durch Herausgabe von populär-wissenschaftlichen Büchern, durch Errichtung einer allgemein zugänglichen audiovisuellen Datenbank (Datenbank über die Mitglieder der SS-Mannschaft, Filme, Notationen, Anschauungs- und Übersichtsunterlagen) über die Tätigkeit des Vernichtungslagers KL Auschwitz – Birkenau

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens wurde eine intensive Zusammenarbeit mit dem Staatsmuseum Auschwitz-Birkenau aufgenommen. Ebenso wurde die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen im In- und Ausland aufgenommen, die sich mit Verfolgung und Dokumentation der Nazi-Verbrechen beschäftigen, insbesondere mit der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen Forschungsstelle Ludwigsburg. Im Auftrag deutscher Staatsanwaltschaften wurden Handlungen zur Besicherung der Unterlagen für laufende Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Mitglieder der Lagermannschaft vorgenommen. Ein Teil von diesen Verfahren endete mit Fertigung von Anklageschriften und ihrer Übersendung ans Gericht.

Auf Grund der vom Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau bezogenen Daten wurden über 100 von den derzeit am Leben bleibenden ehemaligen KL-Häftlingen in Eigenschaft als Zeugen vernommen. Die Aussagen der Zeugen ergänzen das ursprünglich gesammelte Beweismaterial, das sich aus 2.805 originellen Zeugenvernehmungsprotokollen, den Besichtigungsprotokollen des Lagergeländes und der Todesmarschroute, Gutachten der Sachverständigen, darunter auch der ausländischen Sachverständigen, Berichte, Notizen, Aufzeichnungen, Presseartikel, Fotos, Abschriften von Urteilen und Beschlüssen, Kopien der Lagerunterlagen und andere zusammensetzt. Insbesondere wurde die ehemalige Kontaktperson der Widerstandsbewegung, die im Auftrag der Polnischen Heimatarmee die durch die KL-Häftlinge übermittelten Informationen über die Anzahl der Lageropfer bearbeitet hat, vernommen.

Ein wichtiges Motiv des Verfahrens, mit welchem die Abwicklung nicht nur der Prozessziele aber auch der allgemein historischen und der Dokumentationsziele beabsichtigt war, sind Handlungen, die zwecks Ermittlung der genauen Lokalisation von Aschengruben mit sterblichen Überresten der im Lager ermordeten Häftlinge vorgenommen werden. Diese Stellen sind teilweise dokumentiert worden, allerdings ist es höchst wahrscheinlich, dass nicht alle von ihnen auf dem Gelände markiert und demnächst sichergestellt worden waren.
Diesbezüglich wurde ein geologisches Gutachten eingeholt, das potentielle Ortsbestimmungen derartiger Gruben nennt.

Die Maßnahmen zur Herbeiführung von Dokumenten, darunter Archivdokumenten von externen Trägern  müssen fortgesetzt werden. Wenn auch diese Maßnahmen bei polnischen Forschungsstellen so gut wie abgeschlossen sind, so bedürfen sie bei ausländischen Forschungsstellen und Trägern eines wesentlichen Zeit- und Mittelaufwands. Die Herbeiführung von Dokumenten aus derartigen Quellen bedarf der Durchführung von Abfragen in ausländischen Archivstellen.

Es laufen Maßnahmen zur Ermittlung, ob die als ehemalige Lagerfunktionäre identifizierten Personen am Leben sind. In diesem Fall wird es möglich sein, sie zur Strafverantwortung zu ziehen. Abgesehen davon soll auf Grund des im Laufe des Ermittlungsverfahrens angesammelten Beweismaterials eine sachliche Entscheidung über das endgültige Beenden des Strafverfahrens in der gegenständlichen Angelegenheit erteilt werden.

Erstellt von:

Łukasz Gramza,

Staatsanwalt der Bezirkskommission zur Erforschung

der Verbrechen gegen das Polnische Volk in Kraków

 

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